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Der Ländiweg ist primär ein Kommunikationsproblem

„Man kann nicht nicht kommunizieren“, sagte bereits vor vielen Jahren der Kommunikationsexperte Paul Watzlawick. Und so kam es in Olten wie es kommen musste. Es ereigneten sich am Oltner Ländiweg jüngst tätliche Übergriffe und schnell war die Problemzone und die Problemgruppe bei der Bevölkerung lokalisiert, obwohl bis heute noch nicht geklärt ist, wer die Täter waren, welche eine Frau am Oltner Ländiweg belästigten und einen Passanten beraubten. Beides sehr tragische Fälle. Diese Fälle zeigen auch beispielhaft auf, dass zwischen der Stadt Olten und der Bevölkerung ein massives Kommunikationsproblem besteht. Dies drückte sich in den vergangenen Wochen und Monaten durch unzählige Posts zum Ländiweg aus, die in sozialen Medien gepostet wurden und unbeantwortet blieben.

Die eine Gruppe von Bürgern ist beunruhigt, wie sich die Situation am Ländiweg zwischen Holzbrücke und Bahnhof entwickelt und fordert harte Massnahmen, andere Gruppierungen wiederum sind der Meinung, die ganze Situation werde überbewertet und es stehe jedem Bürger frei, sich auf öffentlichen Grund frei auszuleben.

Von offzieller Seite der Stadt Olten ist zum Thema Ländiweg leider gar nichts zu vernehmen. Die letzte Info zum Weg entlang der Aare auf http://www.olten.ch „Neuigkeiten“ stammt von August 2014, seither besteht Funkstille, obwohl das Thema Ländiweg in den Sozialen Medien keine Ruhe findet und ständig wieder hochkocht. Auch beim Oltner Tagblatt geniesst der kleine Weg eine leider negative Publizität.

Was in der Konsequenz nur einen Schluss zulässt: Die Stadt braucht eine Kommunikationsstrategie für digitale Medien, sofern sie in Zukunft mit ihrer Bevölkerung auf Augenhöhe diskutieren will. Eine Facebook-Seite mit ein paar Veranstaltungshinweisen und offiziellen Verlautbarungen reicht sicher nicht aus, soll eine jüngere Bevölkerungsschicht erreicht und ein offener Dialog gepflegt werden.

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Die Stadt war es bisher gewohnt, im Oltner Tagblatt über das Kürzel (sko) Stadtkanzlei Olten gleich eigene Meldungen buchstabengetreu publizieren zu können und den Text im Anschluss auf www.olten.ch unter Neuigkeiten zu aufzuschalten. Versagt hat dieses Modell am Beispiel für die „Problemdiskussion Ländiweg“ mit der Bevölkerung im Internet. Der Grund dafür: Die von der Stadt anzusprechende „Zielgruppe“ am Ländiweg ist jung, kommuniziert digital, ist auf Facebook und weiteren Plattformen unterwegs und die Stadt Olten ist für einen Dialog im Netz nicht vorbereitet. Es bestehen keine adäquaten Strukturen die es der Stadt ermöglichen würden, über die Sozialen Medien mit ihrer Zielgruppe aktiv zu kommunizieren, den Dialog zu suchen und konkrete Massnahmen transparent anzukündigen und so Verständnis bei der Bevölkerung zu schaffen. Oder sie wären vorhanden aber werden nicht genutzt.

Die Folge davon sind Missverständnisse auf beiden Seiten. Die einzig auffindbare Verlautbarung in Facebook stammt vom 21. April 2017 und lautet wie folgt:

Wie Leserinnen und Leser, die sich nie oder wenig selber am Landweg aufhalten, vielleicht noch nicht bemerkt haben, macht die Polizei Kanton Solothurn seit ein paar Tagen am Ländiweg täglich verstärkt Kontrollen. Dies nach Absprache mit der Direktion öffentliche Sicherheit. Alle weiteren Massnahmen werden vom Gesamtstadtrat (FdP, CVP, SP, Grüne) bestimmt.“

Eine sehr lobenswerte Kommunikation von Stadträtin Iris Schelbert in der Facebook Gruppe Olten, welche über ihren privaten Account in eine Diskussion vor einigen Wochen eingegriffen hatte. Dies ist jedoch die einzig auffindbare Kommunikation zu den schwierigen Verhältnissen am Ländiweg in den letzten Wochen. Warum ist dies nun ein Kommunikationsproblem?

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Man kann die Lager in folgende Gruppierungen unterteilen:

  1. Eine Zahl von Ländiwegnutzern, die nach ihrer Auffassung jegliches Recht besitzen, öffentlichen Raum nach eigenem Gusto zu okkupieren, zumal es sich ja um eine frei verfügbare Ressource handelt und man andere Menschen nach eigener Auffassung nicht stört und sich friedlich verhält. Musikbeschallung inklusive, mal mit Einschränkungen für die zirkulierende Bevölkerung, mal mit vermüllten Zonen mit der Begründung, die Stadt habe zu wenig Abfalleimer montiert. Meist sehr friedlich aber eben unübersehbar.
  2. Einem Teil einer ordnungsliebenden Bevölkerung, welche mit der Ansammlung von Leuten am zentralst gelegenen Ländiweg ihre Mühe bekunden. Die nicht verstehen können, wie offen Bier getrunkten und gekifft werden kann. Diesen Perimeter aber teilweise auch mittlerweile meiden, weil sie sich subjektiv nicht mehr sicher fühlen. Sicherheit, die notabene zum Grundbedürfnis jedes Individuums gehört.
  3. Neue Gruppierungen als selbsternannte „Retter der Vertriebenen“, welche Wegweisungen im öffentlichen Raum anprangern und nicht verstehen können, wie der Staat, dessen Kernaufgabe es ist, für die Sicherheit seiner Bevölkerung zu schauen, sich seit ein paar Wochen aktiv einmischt und in Form von Personenkontrollen die erste Personengruppe tangiert und in Einzelfällen mit Rayonverboten belegt.

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Da zu den gesamten Entwicklungen am Ländiweg vollkommene Funkstille von offiziellen Stellen der Stadt besteht, schaukeln sich die verschiedenen Lager medial  gegenseitig auf. Niemand verfügt über offizielle Informationen, welche Massnahmen durch die Stadt konkret getroffen wurden. In der Konsequenz führt dies dazu, dass nun die ausübende und wohl auch beauftragte Polizei des Kantons Solothurn unter die Räder kommt, welche mindestens nach kolportierten Aussagen im Auftrag der Politik die Schraube etwas angezogen hat und nun vermehrt Kontrollen durchführt. Sprich, weil sie durch mehr Kontrollen die Sicherheit wiederherzustellen versucht, muss die Polizei als Prügelknabe in Social Media hinhalten.

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Der kurze Besuch in den Abendstunden vom 16. Mai 20017 war einmal mehr sehr ernüchternd, man fühlt sich subjektiv unwohl. Auf Seite der Holzbrücke defekte Beleuchtungskörper. Läuft man auf die Menschenansammlungen zwischen Holzbrücke und Bahnhofzugang zu, mögen diese durchaus fröhlich und friedlich miteinander plaudern, fühlt man sich als Passant unwohl. Es stehen Bierflaschen herum, jüngere Menschen aus allen Herren Ländern unterhalten sich lautstark. Abfall an diversen Stellen.

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Der Durchgang zum Bahnhof ist mit Erbrochenem am Boden verunreinigt und unter dem Treppenaufgang gleich nach dem Tunnel um die Ecke dröhnt aus einem Subwoofer laute Musik mit ausländischen Klängen.

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Sprich, egal wie man es dreht und wendet, man könnte vielleicht ungehindert zirkulieren, tut es nicht, weil man sich nicht sicher fühlt. Dieser Eindruck bestätigt sich beim Blick auf die oberhalb verlaufende Hauptstrasse, wo zeitgleich unbeteiligte Passantinnen zirkulieren.

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„Man kann nicht nicht kommunizieren“, denn dies ist auch eine Art der Kommunikation. Sie lässt aber viele Fragen offen und die Bevölkerung wäre sicher interessiert daran zu erfahren, was es mit den verstärkten Kontrollen am Ländiweg auf sich hat, welche „Erfolge“ erzielt wurden und warum und in welcher Form Rayonverbote ausgesprochen wurden?

Aus der strategisch und politischen Sicht wäre es zudem an der Zeit zu erfahren, Rückkommensanträge sind jederzeit möglich, ob das Projekt Andaare nicht doch die adäquate Antwort auf eine absolut unbefriedigende Situation am Ländiweg ist. Die Situation in diesem  Perimeter wird ohne bauliche Massnahmen und alleine mit repressiven Mitteln nicht nachhaltig entschärft werden können. Der Ländiweg bleibt eine Problemzone und es ist höchste Zeit, mit der Bevölkerung Tacheles zu reden.

4 Kommentare zu “Der Ländiweg ist primär ein Kommunikationsproblem

  1. Der Stadtrat nimmt die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht ernst, die Sicherheitsdirektorin schweigt. Lieber plant der Stadtrat eine neue Unterfürung nach Olten Südwest, um dem Besitzer Bachmann höhere Mieten und einen satten Gewinn zu ermöglichen. Sich mit den Alltagssorgen der steuerzahlenden Mehrheit zu befassen intwressiert den Stadtrat offensichtlich nicht.

  2. Fritz Zaucker

    Ich habe den Eindruck, es vor allem Zeit mit dem Stadtrat Tacheles zu reden.
    Vorschläge für Sofortmaßnahmen gibt es zur Genüge, sogar solche, die von Mitarbeitern der Stadtverwaltung, der KaPo und „selbst ernannten Gruppen zur Rettung …“ mehr oder weniger identisch in’s Spiel gebracht und von den StadtRätInnen ignoriert oder zumindest nicht erkennbar auch nur abgeklärt werden.

    Wozu die Bemerkungen über Menschen aus fremden Ländern und ausländische Musik dienen sollen, ist mir übrigens schleierhaft. Erst recht jetzt, wo nicht nur in der Schweiz gejodelt wird …

  3. Jolanda Wyss Beglinger

    Ich sehe das Problem auch vorwiegend in der Kommunikation, bzw. in der fehlenden Kommunikation.

    Wie soll man etwas fair einschätzen koennen, wenn nicht nachvollziehbar ist, wer, wann und was beschlossen hat und warum.

    Es geht mir persoenlich nicht mal darum, ob man alle Entscheide begrüsst, welche der Stadtrat fällt, man muss auch mit Entscheiden leben koennen, welche man für falsch befindet. Aber man möchte zumindest wissen, was für Entscheide, wann gefallen sind und wer dafür vor uns hin steht und uns das sagt.

    Ich wünschte mir einfach klare Kommunikation und das nicht immer erst auf Anfrage und ohne, dass man ständig danach betteln muss.

    Es werden in Olten, Menschen von Orten verwiesen, es werden Rayonverbote erteilt. Auch wenn das erstaunen mag oder auf wenig Verständnis stoesst, mich beschäftigt das als Bewohnerin von Olten.

    Ich kenne unsere Pappenheimer, unsere Randständigen seit vielen Jahren. Für mich gehoeren sie zu unserer Stadt dazu. Und wenn man die nun so vertreibt und wir nicht mal wissen, warum und wie lange und was man schlussendlich damit bezweckt, dann ist das beunruhigend.

    Wir haben nun mal eine Olten Seite, welche sehr stark frequentiert ist und wir haben viele junge Menschen in unser Parlament bekommen, die kommunizieren ganz selbstverständlich auf den sozialen Medien.

    Die gehoeren nun mal heute dazu, diesen sozialen Medien. Klar ist es nicht leicht, sich so oeffentlich hinzustellen und offen zu sagen was man warum beschlossen hat. Aber es würde zumindest allen Gerüchten entgegen wirken, was ja schon viel wäre.

    Noch wünschenswerter wäre es, wenn man sich mal Gedanken machen würde, über all die vielen Vorschläge, welche schon gemacht wurden, über die Bemühungen, hier eine gute Loesung für alle zu finden. Sie zumindest mal mit ihren Wählern zu besprechen, diese Vorschläge. Wie das der Stadtrat gestalten will, das kann er ja selbst entscheiden.

    Aber bitte mehr offene und direkte Kommunikation.

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