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Wir Oltner sind schon äs bizeli verrückt

Auf dem Weg ans Schulfest ist mir heute durch den Kopf geschossen, dass wir Oltner schon ein bisschen verrückt sind, uns vom Durchgangsverkehr so viele schöne Flächen klauen zu lassen. Aber gerade an einem solchen Sonntag, wo unsere Kinder und damit unsere Zukunft durch Olten läuft, darf man doch mal den Gedanken etwas spinnen und sich überlegen wie es wäre, wenn wir nicht jeden Oltner Quadratmeter dem Strassenverkehr opfern würden. Also etwa so ähnlich wie einem Raucher aufzeigen, der sich nicht vorstellen kann, dass man auch ohne Zigarette gut und vor allem gesünder leben kann.

Stellen Sie sich also mal einfach vor, wie der Munzigerplatz als Parkanlage aussehen würde, mit Grasflächen und Bänkli, irgendwo vorne links ein kleiner Pavillon der im Sommer Getränke verkauft, etwas Musik dudelt unter dem Schatten der Bäume und die städtischen Stühle von Fermob, die einfach so in diesem bunten Stadtgarten stehen, sind von Müttern belegt, die ihren Kindern beim Spielen zusehen.

Munzingerplatz mit Bäumen, Parkplatz an zentralster Lage

Oder noch verrückter. Stellen Sie sich mal vor, man würde die Strasse beim Bahnhofquai mit all ihrem Durchgangsverkehr eine Etage tiefer legen und vom Bahnhof bis zur Holzbrücke würde die ganze Fläche in einen Spielplatz für Fussgänger und Veloverkehr umgestaltet. Schönster Lebensraum wo man gerne verweilen würde. An der Kante vorne zur Aare hin würden die farbigen Möbel von Enzo stehen, die man der Stadt schenkte. Die Leute könnten von oben auf die Aare blicken und im Erdgeschoss in den Gebäuden von Swisscom wären keine Büros sondern kleine Snackstände, wo sich die 80’000 Leute, die täglich an Oltner Bahnhof frequentieren, kurz mal auf ein Bier oder einen Apéro in Olten an der Aare gemütlich unter einem Sonnenschirm treffen würden. Eine Etage tiefer, eingepackt in einem Betontunnel, würde sich der motorisierte Verkehr durchwälzen und oben an bester Lage wieder Leben stattfinden.

Bahnhofquai vom Postplatz zum Bahnhof, heute eine Stadtautobahn.

Leider beherrsche ich kein Photoshop, sonst würde ich das gerne mal für diesen Blog visualisieren und um eine kleine Inspiration zu schaffen, wie es am Aareufer aussehen könnte, würden wir nicht jeden Zentimeter dem Durchgangsverkehr verschenken, sondern uns wieder mehr auf unsere Oltner Anliegen fokussieren und diese auch gegenüber dem Kanton klar kommunizieren. Einfach mal nicht abnicken sondern auf die Hinterbeine stehen und eine Vision präsentieren und konkrete Massnahmen einfordern.

Welche Breite und welches Potential die Ringstrasse vom Café Ring bis hin zur Citykreuzung hat, sieht man erst, wenn sich Menschen darauf bewegen können. In den 1950er und 1960er Jahren war der wirtschaftliche Aufschwung eng mit dem Strassenbau verbunden. Die Strassen mussten möglichst breit sein und der Fokus lag klar beim Auto. Die Kehrtwende machen nun Länder wie Holland und Dänemark, also funktionierende Wirtschaftssysteme ohne eigene Autoindustrie, wo schrittweise Rückeroberung des Strassenraums durch Velos und Fussgänger stattfindet. Es werden Bäume gepflanzt und Lebensraum für Menschen geschaffen, die in ihrer Stadt wohnen möchten.

Ringstrasse, die heutige Automeile der Stadt Olten

In Holland bestehen Verkehrskonzepte, bei welchen in Städten der komplette Strassenraum von Verkehrsinseln befreit, die Troittoirs aufgehoben, Fahrbahnmarkierungen übermalt und sämtliche Verkehrsschilder und Signalisationen entfernt wurden. Die riesige Verkehrsfläche kann nun gleichberechtigt durch alle Menschen genutzt werden, ob nun zu Fuss, auf dem Velo oder im Auto. Es hört sich verrückt an, aber dieses Experiment zeigt, dass ein neues Miteinander entsteht, Autofahrer viel vorsichtiger den Verkehrsraum befahren, wenn nicht Ampeln und Pfeile den Weg durch die Stadt weisen und der Verkehr genauso fliesst. Denn es ist klar, dass man in Olten den Verkehr nicht wegzaubern kann. Aber man kann ihn neu denken und gestalten.

Verkehrsführung aus den 1960er Jahren, weil man es schon immer so machte.

Was für ein realitätsfremder Spinner werden nun die einen denken, was für ein Utopist. Aber hey, manchmal sind es genau diese Sonntage im Sommer, die einem den Blick dafür eröffnen, dass es auch anders gehen könnte. Und dass es eben funktionieren würde, zeigt die Tatsache, dass trotz Strassensperrung der Verkehr am heutigen Schulfest in Olten nicht etwa zusammengebrochen ist. Nein, wir haben uns damit arrangiert.

Ein Parkplatzleitsystem für Oltens Parkäuser wird nun auch realisiert und für Besucher von Olten wird man auch in Zukunft Parkraum benötigen, nur stellt sich die Frage, ob unsere Stadt auch in Zukunft dem Durchgangsverkehr weiterhin diese hohe Priorität einräumen will oder ob wir Olten wieder attraktiver gestalten und für Besucher wieder ansprechender entwickeln sollten. Gerade an zentralsten Lagen der Innenstadt.

Aarburgerstrasse aus Richtung Aarburg bis zum Postplatz, an normalen Tagen eine meist stehende Autoschlange in der Hauptverkehrszeit

Ich wünsche mir für Olten ein paar visionäre Köpfe, die ausserhalb der bestehenden Muster unseren Oltner Verkehr überdenken. Eine Vision für unsere Stadt entwickeln, sich überlegen, wo wir Olten und unseren gemeinsamen Lebensraum in 20 Jahren sehen wollen, damit die Kinder, die wir heute am Schulfest gesehen haben, ihren Kindern einmal etwas vom Aufbruch in der Stadt Olten erzählen können.

5 Kommentare zu “Wir Oltner sind schon äs bizeli verrückt

  1. Fritz Zaucker

    Wieso 20 Jahre warten?

  2. Markus Durrer

    Super Beitrag! Vielen Dank

  3. Laura Schöni

    Du sprichst mir aus dem Herzen! Merci für diesen Text!

  4. Öufi öuf

    Das schönste an Olten ist eh der Zug weg von dort 😂

  5. Karl Brodowsky (bk1x168)

    Im europäischen Vergleich ist die Schweiz, was Verkehr anbelangt, schon ziemlich fortschrittlich. Eine wachsende Anzahl von Haushalten hat gar kein Auto mehr, insbesondere in Zürich, Basel und Bern. Vermutlich auch in Olten. Parken ist in der Schweiz sehr schwierig und zumindest fortschrittlichere Kantone und Gemeinden erschweren es auch, Parkraum anzulegen, man denke nur an die Stadt Zürich. Der Modal Split sieht entsprechend so aus, dass ÖV, Velo und Fußgängerverkehr vergleichsweise hohe Anteile haben und der MIV niedrige (in Zürich z.B. unter einem Drittel, wie sieht es in Olten aus?). Um auf Olten zurückzukommen: In der Nähe des Bahnhofs gibt es anscheinend viele Wohnungen, die gar keine Parkmöglichkeiten haben bzw. man müsste sie sich teuer dazumieten, was aber nur ein kleiner Teil der Bewohner zu tun scheint.
    Umso mehr ist es natürlich schade um den Platz, den man für den Autoverkehr einräumt, den gerade viele Oltener gar nicht mehr so viel nutzen. Autos nehmen nur so viel Platz ein, dass auch ein kleiner Anteil am Verkehrsaufkommen als massives Volumen sichtbar wahrgenommen wird.

    Was noch wichtig ist: man sollte nicht den MIV schneller machen, sondern den Veloverkehr. Wenn man Tunnel ohne Ampeln für die Autos baut und Velos an der Oberfläche mit hoher Ampeldichte fahren müssen, hat man vielleicht den MIV mehr als den Veloverkehr gefördert. Also ruhig die Ampeln in so einem Tunnel einfach eine Etage tiefer einbauen und an der Oberfläche, wo sich große Verkehrsströme kreuzen, die eine Ampeln erfordern würden, eine kreuzungsfreie Lösung bevorzugt. Wenn der motorisierte „Restverkehr“ an der Oberfläche sich in Grenzen hält geht es vielleicht auch ohne so etwas.

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